Nachlassstreit - Wenn das Erbe die Famile Spaltet

Bis 2020 werden in Deutschland rund 2,6 Billionen Euro vererbt. Über dem Kampf um die Hinterlassenschaft zerbrechen oft ganze Familien. Dabei geht es nicht immer allein ums Geld. Oft genug kommen im Streit tief sitzende Verletzungen wieder hervor.

Ein geliebter Mensch stirbt, und kaum ist er unter der Erde, bricht unter den Hinterbliebenen der große Streit ums Erbe aus. Angeheiratete Partner mischen sich in die Angelegenheiten der betroffenen Familie ein, stacheln ihre Männer und Frauen an, sich ein möglichst großes Stück vom Erbe zu sichern. Und das ist oft beträchtlich: Bis zum Jahr 2020 werden in Deutschland rund 2,6 Billionen Euro vererbt, durchschnittlich beläuft sich die Hinterlassenschaft auf 305.000 Euro. Eine Summe, bei der man davon ausgehen sollte, dass der Erblasser für den Fall seines Todes alles geregelt hat. Doch weit gefehlt: Nur 25 Prozent der Deutschen haben ein Testament. Und fehlt das, so ist der Weg in den Familienstreit endgültig geebnet.

Erben könnte eine gute Sache sein. Der Erblasser kann seinen Besitz verteilen, wie er möchte, kann seinen Erben Anerkennung über den Tod hinaus schenken, und er kann sichergehen, dass das, was er zu Lebzeiten erarbeitet hat, auch noch Bestand hat, wenn er nicht mehr ist. Den Erben kann eine Erbschaft helfen, mit der Trauer klarzukommen. Sie gibt das Gefühl, dass man dem Toten etwas bedeutet hat. Und sie kann, ganz profan, jüngeren Erben helfen, eine Existenz zu sichern oder aufzubauen.

Denn der Anteil der größeren Erbschaften wird ansteigen: Eine Studie der Postbank kommt zu dem Ergebnis, dass künftig jede fünfte Erbschaft größer als 100.000 Euro sein wird. Sieht man von Ausnahmen ab, ist es schwer vorstellbar, dass das Erben bei solch hohen Summen ohne Streit über die Bühne geht. Die Studie der Postbank kommt zu dem Schluss, dass bislang in 17 Prozent aller Erbschaften um den Nachlass gestritten wurde. Allein die potenziellen Erblasser rechnen nicht unbedingt damit. Nur etwa zehn Prozent von ihnen erwarten, dass sich um ihren Nachlass gezankt wird. Die möglichen Erben sind da realistischer. Unter ihnen erwartet knapp ein Viertel Auseinandersetzungen um das Erbe.

In solchen Fällen hilft nur noch der Gang zu einem Anwalt, der sich auf das Erbrecht spezialisiert hat. Der Anwalt sieht dann häufig, was eine Erbschaft anstellt. Vieles, was passiert, ist unlogisch und irrational. Häufig brechen tief sitzende Verletzungen aus der Familiengeschichte wieder auf.

Gestritten wird dann entweder innerhalb einer Erbengemeinschaft. Eines der Kinder fühlt sich benachteiligt und will von Bruder oder Schwester etwas zurückhaben.

Ein anderer typischer Fall ist die Einforderung des sogenannten Pflichtteils. Dieser wird fällig, wenn ein eigentlich gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen wird, etwa weil sich ein Kind mit den Eltern verkracht hat. Aber auch dann steht ihm immer noch die Hälfte des gesetzlichen Erbes zu.

Ist ein Testament vorhanden, dann ist dies der erste Anhaltspunkt. Dort ist der letzte Wille des Verstorbenen notiert. Es sollte der Maßstab für die weiteren Schritte sein. Doch in vielen Fällen beginnen jetzt erst die Schwierigkeiten. Denn oft liegt entweder überhaupt kein Testament vor oder es ist unklar formuliert. Ist das Schriftstück wirklich so mehrdeutig, beginnt für die Anwälte die Hauptarbeit. Ein Testament ist immer auszulegen, also Interpretationssache. Wie ein Gericht dann entscheiden wird, ist unklar. Häufig ist die Entscheidung dann ein Glücksspiel, was der Erblasser natürlich nicht wollte. Schätzungen nach zu urteilen, wird in mehr als der Hälfte der Fälle der Erblasser mit seinem Testament nicht das erreichen, was er eigentlich wollte.

Eine Alternative zur Gerichtsbarkeit ist das Mediationsverfahren. Häufig geht es bei dem Suchen nach fairen Lösungen nicht nur ums Geld. Es geht um Emotionen, um entzogene Liebe und mangelnde Anerkennung. Durch ein Testament können Eltern ihre Wertschätzung für die Kinder festhalten. Das führt zwangsläufig zu verletzten Gefühlen. Die einen wollen Anerkennung, weil sie sich mehr gekümmert haben. Andere sind enttäuscht, weil sie sich mehr erhofft hatten. Die Eltern als schlichtende Instanz sind dann nicht mehr da. Als schlichtende Instanz bietet sich daher auch die Mediation an. Dieses Verfahren kann helfen, aus alten Streitmustern auszubrechen und eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. Denn grade bei Erbstreitigkeiten geht es sehr oft um Wertschätzung.

Den Erbstreit im Rahmen einer Mediation zu lösen ermöglicht allen am Streit Beteiligten zunächst eine Vermittlung und Klärung, sowie ferner, wer welche Interessen hat. Wenn diese Prioritäten klar sind, werden  die Streitenden mit Hilfe des Mediators versuchen, unter Berücksichtigung aller  Interessen eine gemeinsame Lösung zu finden. Nach der Interessenfindung folgt also die Lösungsebene. Die Lösungen werden  von den Erben selbst entwickelt. Häufig entwickelt sich gerade dann erstmals zwischen den ehemals widerstreitenden Parteien eine sehr lebhafte gemeinsame Diskussion um das Auffinden von Lösungen. Alle Interessen werden berücksichtigt.

Die Mediation hat gegenüber der klassischen Gerichtsverhandlung den Vorteil, dass sie deutlich weniger Zeit beansprucht und kostendämpfender ist. Zudem gilt: "Wenn man etwas selber erarbeitet hat, fühlt man sich enger damit verbunden, als wenn man etwas aufgedrückt bekommt". Die Erben sind viel eher bereit, eine gemeinsam gefundene Lösung dann auch zu tragen. Außerdem hatte jeder Beteiligte im Rahmen der Mediation die Möglichkeit, einmal das auszusprechen, was er schon lange einmal sagen wollte. Dass bei diesen Gesprächen die “Spielregeln“ von allen Beteiligten eingehalten werden, ist Aufgabe des Mediators. Die Mediation kann deshalb anstrengender sein als eine Gerichtsverhandlung. Man muss sich persönlich auseinandersetzen und nicht über Anwälte. Der Lohn für die Mühen kann dann aber eine für alle Beteiligten interessengerechte Lösung und der Erhalt des Familienfriedens sein. Wer sich als Bruder und Schwester schon mal vor Gericht gestritten hat, der wird wahrscheinlich nie mehr das Vertrauen zueinander zurückgewinnen. Im Übrigen: der Weg zum Gericht bliebe für jeden Medianten dann immer noch offen, wenn die Mediation scheitern sollte. Alle beteiligten Erben hätten aber wenig Zeit verloren und auch die Kosten hielten sich in Grenzen

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